Vor dem mit Spannung erwarteten Besuch von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bei Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sorgt ein Bericht der Welt für diplomatische Unruhe. Demnach wurde Italien in einem frühen Entwurf des Koalitionsvertrags der neuen Bundesregierung noch als „wichtiger Partner“ genannt – doch in der finalen Version fehlt jede Erwähnung. Laut dem Bericht habe sich die SPD gegen die ausdrückliche Nennung Italiens ausgesprochen. Die Reaktion aus Rom: scharf und ungehalten.
Meloni-Regierung reagiert empört auf diplomatische Auslassung
Der italienische Außenminister Antonio Tajani (Forza Italia) reagierte mit deutlicher Kritik. „Das ist eine antieuropäische Entscheidung der deutschen Sozialdemokraten“, sagte Tajani am Donnerstag. Er warnte vor einer Spaltung Europas und sprach von einem „schweren Fehler“, gerade in einer Zeit, in der Einheit gefragt sei.
Auch Tommaso Foti, Europaminister in der rechtskonservativen Regierung Meloni, zeigte sich alarmiert. Er nannte den Vorfall „besorgniserregend“ und warnte vor einem Imageschaden für ganz Italien. „Es geht nicht nur um diese Regierung, sondern um unser Land als Ganzes“, betonte Foti.
Regierung in Berlin versucht zu beschwichtigen
Die Bundesregierung versuchte umgehend, die Wogen zu glätten. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts erklärte, Italien sei ein „regelmäßiger und verlässlicher Teilnehmer“ im erweiterten Weimarer Format („Weimar Plus“) – einer Gesprächsrunde mit Deutschland, Frankreich und Polen. Diese diplomatische Plattform habe Italien zuletzt mehrfach aktiv mitgestaltet.
Auch Regierungssprecher Steffen Meyer bemühte sich um Deeskalation: „Italien ist für Deutschland ein zentraler Partner in Europa, und der Austausch mit Rom ist eng und vertrauensvoll.“ Auf Fragen zur Entstehung des Koalitionsvertrags wollte das Kanzleramt keine näheren Angaben machen.
Ein Sprecher der SPD wies zudem darauf hin, dass Italien selbstverständlich ein „wichtiger Partner“ sei. Die Frage der Nennung im Vertrag sei in den Verhandlungen jedoch nicht thematisiert worden.
Barley verteidigt SPD-Position: „Besondere Verantwortung Deutschlands“
Katarina Barley, SPD-Europaabgeordnete und Mitglied der Koalitionsarbeitsgruppe Europa, verteidigte gegenüber der Welt die Entscheidung. Die Fokussierung auf das Weimarer Dreieck – also Deutschland, Frankreich und Polen – habe historische Gründe. Diese Konstellation resultiere aus der besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber seinen beiden Nachbarn. Die Beziehung zu Italien sei davon nicht negativ abzugrenzen, aber eben „nicht vergleichbar“.
Diese Erklärung wurde in Rom allerdings nicht als ausreichend angesehen. Die Meloni-Regierung sieht sich durch die Auslassung im Vertrag symbolisch herabgestuft – ein Signal, das in der sensiblen diplomatischen Lage nicht gut ankommt.
Treffen von Merz und Meloni in Rom: Kooperation im Fokus
Friedrich Merz reist am Samstag nach Rom – es ist sein erster Besuch als Bundeskanzler in der italienischen Hauptstadt. Bereits am Freitag war es zu einem ersten Austausch mit Giorgia Meloni beim EU-Gipfel in Tirana gekommen. Das Treffen am Samstag soll laut Regierungskreisen die Zusammenarbeit beider Länder in den Fokus rücken – insbesondere in Fragen der Wirtschaft, Migration und Sicherheitspolitik.
Italien und Deutschland sind Gründungsmitglieder der Europäischen Union und wichtige Handelspartner. Trotzdem gibt es in der politischen Ausrichtung klare Unterschiede: Während Merz auf eine proeuropäische Linie setzt, steht Meloni mit ihrer Partei Fratelli d’Italia für einen stärker national geprägten Kurs.
Italien strebt mehr Gewicht in Europa an
Italien bemüht sich seit Jahren, eine stärkere Rolle in Europa einzunehmen. Unter dem früheren Premierminister Mario Draghi hatte das Land international an Einfluss gewonnen. Draghis Reise im Juni 2022 nach Kiew – gemeinsam mit Olaf Scholz und Emmanuel Macron – galt als starkes Signal europäischer Solidarität. Diese Symbolpolitik scheint nun durch den diplomatischen Streit gefährdet.
Auch innerhalb der italienischen Öffentlichkeit wird der Vorfall aufmerksam verfolgt. Die Medien des Landes berichten breit über den mutmaßlichen Einfluss der SPD auf den Koalitionsvertrag – und werten dies als Affront.
Beobachter warnen vor langfristigem Vertrauensverlust
Europäische Experten sehen die aktuelle Debatte als Symptom tieferliegender Spannungen. Die deutsch-italienischen Beziehungen seien zwar belastbar, aber sensibel für Symbolpolitik. „Die Formulierungen in Koalitionsverträgen mögen auf den ersten Blick nebensächlich wirken – doch sie senden klare Signale“, so der Politikwissenschaftler Dr. Paolo Grassi von der Universität Mailand.
Er warnt vor einer Eskalation: „Ein einmal erschüttertes Vertrauen lässt sich nur schwer wiederherstellen. Gerade im Vorfeld wichtiger EU-Entscheidungen ist ein offener Dialog entscheidend.“
Der diplomatische Eklat rund um die Koalitionsformulierung könnte das Treffen zwischen Merz und Meloni überschatten. Doch er bietet auch eine Chance: Mit klaren Signalen der Wertschätzung und konkreter Zusammenarbeit kann der Kanzler verlorenes Vertrauen wieder aufbauen. Italien bleibt ein unverzichtbarer Partner in Europa – unabhängig von der Parteifarbe in Berlin.