In der neuen Regierungskoalition herrscht Uneinigkeit über die Rentenpolitik. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) schlug am Wochenende vor, Beamte, Selbstständige und Abgeordnete künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) wies diesen Vorschlag am Sonntagabend entschieden zurück. In der ARD-Sendung Caren Miosga betonte er: „Das ist nicht Common Sense in der Koalition.“ Der Vorstoß sei weder abgestimmt noch im Koalitionsvertrag vorgesehen. Damit ist die erste größere Kontroverse der neuen Regierung entbrannt – ausgerechnet beim heiklen Thema Altersvorsorge.
Rentenvorschlag von Bas: Mehr Beitragszahler für stabile Renten
Bärbel Bas will die gesetzliche Rentenversicherung auf breitere Füße stellen. In einem Interview mit der Funke Mediengruppe erklärte sie, dass auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete zur Finanzierung beitragen sollten.
„Wir müssen mehr Leute an der Finanzierung der Rentenversicherung beteiligen“, so Bas. Ziel sei es, die Einnahmen langfristig zu stabilisieren – gerade mit Blick auf den demografischen Wandel. Bereits 2026 könnten die Rentenbeiträge steigen, warnte die Ministerin.
Sie beruft sich auf ähnliche Modelle in anderen europäischen Ländern, etwa in Österreich oder Schweden, wo mehr Berufsgruppen in die staatliche Altersvorsorge eingebunden sind.
Frei kontert: Kein tragfähiges Modell und keine Koalitionslinie
Thorsten Frei konterte direkt: „Man kann über alles reden, aber das ist kein tragbares Finanzierungsmodell.“ Das Äquivalenzprinzip – wer mehr einzahlt, bekommt auch mehr heraus – würde durch Bas’ Vorschlag nicht verbessert, sondern verwässert, so Frei.
Er betonte, dass der Vorschlag nicht im Koalitionsvertrag verankert sei. „Ich finde dazu keine Belegstelle“, sagte er bei Caren Miosga. Der Vorschlag sei nicht abgestimmt, weder mit der CDU noch mit der CSU. „Es hilft nicht, einfach nur die Basis zu verbreitern“, sagte Frei mit Blick auf die Struktur der Rentenversicherung.
Demografischer Wandel als Grundproblem
Frei verwies auf das eigentliche Problem: den demografischen Wandel. In den 1960er-Jahren kamen sechs Erwerbstätige auf einen Rentner – heute sind es nur noch rund 1,5. Diese Entwicklung setzt das Umlagesystem der gesetzlichen Rente zunehmend unter Druck.
Auch externe Experten wie der Ökonom Prof. Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnen seit Jahren vor einer Finanzierungslücke im Rentensystem. Fratzscher sagte kürzlich: „Ohne Reformen wird das System langfristig instabil.“
Koalitionsvertrag sieht Rentenniveau-Sicherung bis 2031 vor
Im Koalitionsvertrag wurde zwischen Union und SPD festgelegt, das Rentenniveau bis 2031 bei mindestens 48 Prozent zu halten. Eine umfassende Rentenreform soll laut Vereinbarung von einer unabhängigen Kommission vorbereitet werden.
Bas’ Vorschlag geht somit über die aktuell beschlossene Linie hinaus. Dennoch stößt sie in Teilen der SPD und bei Sozialverbänden auf Zustimmung. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) etwa forderte bereits 2022 eine Einbeziehung aller Bürgergruppen in die Rentenversicherung.
Streitpunkt mit Sprengkraft für die Koalition
Die ablehnende Haltung aus dem Kanzleramt zeigt: Das Thema Rente bleibt auch unter der neuen Regierung konfliktbeladen. Der Streit erinnert an frühere Debatten unter Vorgängerregierungen – etwa um die Einführung der Grundrente oder die Rente mit 63.
Politikwissenschaftler Prof. Ursula Münch sieht in der aktuellen Auseinandersetzung ein „frühes Warnsignal für die Regierungsarbeit“. Gegenüber der Bayrischen Zeitung sagte sie: „Wenn die Koalition bei sozialen Themen nicht geschlossen auftritt, schwächt das die Glaubwürdigkeit gegenüber der Bevölkerung.“
Wie geht es weiter? Kommission soll Vorschläge erarbeiten
Trotz der Kritik von Frei wird das Thema in den kommenden Monaten auf der Tagesordnung bleiben. Die geplante Rentenkommission soll bis 2026 Reformvorschläge erarbeiten. Dabei sollen sowohl Demografie als auch Erwerbsbiografien und neue Erwerbsmodelle berücksichtigt werden.
Ein Sprecher des Arbeitsministeriums erklärte am Montag: „Wir halten am Kurs fest, eine faire und nachhaltige Rentenlösung zu erarbeiten. Vorschläge wie der von Frau Bas gehören zur politischen Diskussion.“
Der Vorstoß von Bärbel Bas sorgt für Unruhe in der Koalition. Kanzleramtschef Frei bremst – doch das Thema bleibt aktuell. Denn klar ist: Die gesetzliche Rente braucht Reformen. Wie diese aussehen werden, ist aber noch offen.