Neues Kapitel nach dem Brexit: EU und Großbritannien einigen sich auf engere Partnerschaft

Mehr als fünf Jahre nach dem Brexit haben sich die Europäische Union und Großbritannien auf eine neue Partnerschaft verständigt. Beim ersten bilateralen Gipfel seit dem EU-Austritt traf der britische Premierminister Keir Starmer auf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Antonio Costa. In London unterzeichneten sie ein umfassendes Abkommen, das Handelshemmnisse abbauen, die Sicherheitszusammenarbeit stärken und gemeinsame Zukunftsthemen voranbringen soll.

Sicherheitsbündnis: Gemeinsamer Schutz vor Bedrohungen

Ein Schwerpunkt des neuen Pakts ist die Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Großbritannien soll künftig an EU-Rüstungsprojekten teilnehmen dürfen – etwa über den 150-Milliarden-Euro-Fonds „SAFE“, mit dem militärische Beschaffungen in Europa finanziert werden. Ziel ist es, gemeinsame Antworten auf den Ukraine-Krieg und andere geopolitische Herausforderungen zu finden.

Auch bei Cybersicherheit, dem Schutz kritischer Infrastruktur und der Abwehr hybrider Bedrohungen wollen London und Brüssel enger kooperieren. EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas betonte:

„In diesen geopolitisch schwierigen Zeiten müssen Großbritannien und die EU zusammenhalten.“

Wirtschaft: Weniger Bürokratie, mehr Chancen

Das neue Abkommen soll auch die wirtschaftlichen Beziehungen verbessern. Die EU plant, den Import britischer Agrarprodukte zu erleichtern. Laut Financial Times könnte dies der britischen Wirtschaft bis 2040 einen Vorteil von rund neun Milliarden Pfund bringen – das entspricht etwa 10,7 Milliarden Euro.

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Im Gegenzug erhält die EU bis 2038 weiterhin Zugang zu britischen Fischereigewässern. Diese Konzession löste in London bereits politische Diskussionen aus, insbesondere bei konservativen Stimmen, die den Brexit als Mittel zur vollständigen Kontrolle über britische Gewässer sahen.

Energie und Klima: Neue Impulse für die Zusammenarbeit

Ein weiterer Punkt der neuen Partnerschaft betrifft die Energiepolitik. Die EU und Großbritannien wollen bei grenzüberschreitenden Projekten enger zusammenarbeiten – etwa beim Ausbau erneuerbarer Energien, der Nutzung von Wasserstoff und der Verbesserung von Energieinfrastrukturen.

Experten sehen darin eine Win-Win-Situation: Großbritannien gewinnt Investitionssicherheit, die EU sichert sich langfristig Energiepartnerschaften außerhalb des kontinentalen Raums.

Politische Dimension: Starmer setzt auf Stabilität

Für Premierminister Starmer ist das neue Abkommen ein zentraler Bestandteil seiner außenpolitischen Agenda. Er setzt auf Stabilität, Zusammenarbeit und wirtschaftliches Wachstum. Die Annäherung an die EU kommt auch bei der britischen Wirtschaft gut an, die unter dem Brexit stark gelitten hat.

Viele Unternehmen klagen seit Jahren über komplizierte Zollverfahren, Lieferengpässe und steigende Kosten. Der neue Deal soll helfen, diese Hürden zu senken und den Handel zu erleichtern – ohne dass Großbritannien wieder vollständig in den EU-Binnenmarkt eintritt.

Erste Reaktionen: Verhaltener Optimismus

Politische Beobachter sprechen von einem bedeutenden Schritt zur Normalisierung der Beziehungen. Auch in Brüssel wird die neue Offenheit begrüßt. Laut dem Thinktank Centre for European Reform sei dies das „erste echte Zeichen einer langfristigen strategischen Partnerschaft“.

Gleichzeitig bleiben viele Herausforderungen bestehen. Themen wie Nordirland, Finanzdienstleistungen oder die Zollabwicklung sind weiterhin nicht abschließend geregelt. Dennoch: Der neue Ton zwischen London und Brüssel lässt hoffen, dass die Zeit der Dauerkrise nach dem Brexit nun vorbei ist.

Mit dem neuen Partnerschaftsabkommen machen EU und Großbritannien einen Schritt aufeinander zu. Die Einigung ist ein Signal der Vernunft – in Zeiten globaler Krisen setzen beide Seiten auf Zusammenarbeit statt Konfrontation. Es bleibt abzuwarten, wie die Umsetzung konkret erfolgt. Doch die Weichen sind gestellt – für ein stabileres Verhältnis auf Augenhöhe.

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